Gao Xingjian: Bücher,
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des Literatur-Nobelpreisträgers hier erhältlich!
Gao Xingjian: Wegbereiter
neuer chinesischer Literatur
Der seit 1987 im französischen
Exil lebende chinesische Schriftsteller, Übersetzer, Regisseur und
Künstler Gao
Xingjian gilt als Wegbereiter
einer neuen chinesischen Literatur. In seinem Werk werde «die Literatur
aus dem
Kampf des Individuums, die
Geschichte der Massen zu überleben, wiedergeboren», begründete
die Schwedische
Akademie ihre Entscheidung,
zum ersten Mal einen chinesischen Autor in der Geschichte des seit 1901
vergebenen
Literatur-Nobelpreises zu
ehren.
Schon 1964 hatte das Gremium
mit Lao She einen Chinesen ins Auge gefasst. Dieser jedoch hatte sich während
der
Kulturrevolution das Leben
genommen, wie sich erst später herausstellte.
Dass nun ausgerechnet ein
Schriftsteller mit dem in China seit langem heiß begehrten, bedeutendsten
Literaturpreis
geehrt wird, der nach dem
blutigen Massaker 1989 nicht in seine Heimat zurückkehren durfte,
hat auch politische
Bedeutung: In den 80er Jahren
wandte der heute 60-jährige Gao Xingjian experimentelle Strategien
des westlichen
Theaters (Artaud, Brecht,
Beckett) kritisch auf die chinesische Gesellschaft an und löste in
seiner Heimat eine
erbitterte politische Kampagne
gegen ästhetischen Modernismus aus.
Gao scheute sich nicht, auch
brisante Themen wie Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität zur Sprache
zu bringen.
Außerdem entwickelte
er eine Theorie der modernen chinesischen Erzählkunst. Mit Übersetzungen
trug er ferner
dazu bei, die französische
Literatur in China bekannt zu machen. Am 4. Januar 1940 als Sohn eines
Bankangestellten und einer
Schauspielerin in Ganzhou (Provinz Jiangxi) geboren, hatte seine Mutter
schon früh
Gaos Interesse für
das Theater und die Literatur geweckt.
Nach seinem Französisch-Studium
am Pekinger Fremdspracheninstitut wurde Gao, wie die meisten chinesischen
Intellektuellen, zu Beginn
der Kulturrevolution 1966 zur Umerziehung in ein Lager geschickt; eine
Reihe seiner
Manuskripte musste er verbrennen
- Erzählungen, Essays und 15 Dramen. Er arbeitete zunächst als
Landarbeiter und
Dorfschullehrer, später
als Journalist, Übersetzer und Dramaturg. Erste Auslandsreisen führten
ihn nach dem Ende
der Kulturrevolution 1978/79
nach Frankreich und Italien; seine Novellen, Essays und Dramen konnte er
mit Beginn
der achtziger Jahre erstmals
in China veröffentlichen.
Den eigentlichen Durchbruch
brachte ihm das absurde Stück «Die Busstation - eine lyrische
Komödie aus der
Volksrepublik China»
(1983), das deutliche Parallelen zu Samuel Becketts «Warten auf Godot»
aufweist und im
Pekinger Volkskunsttheater
uraufgeführt wurde. Ein hoher Parteifunktionär bezeichnete es
später als «das
Schädlichste, das seit
der Errichtung der Volksrepublik geschrieben» worden sei - Teil einer
Kampagne des
kommunistischen Regimes
gegen «geistige Verunreinigung». Auch das 1985 erschienene
Stück «Der Wilde Mann»
löste in China hitzige
Debatten aus und erregte international Aufsehen. Folgerichtig verboten
die Behörden 1986
Gaos Drama «Das andere
Ufer» und sorgten dafür, dass bis heute keines seiner Stücke
mehr in China zur
Aufführung kam.
Nach der Kampagne zog sich
Gao für einige Monate in die Waldgebiete der Provinz Sichuan zurück,
um weiteren
Belästigungen und Schikanen
zu entgehen. Wie schon zu seiner Zeit als Landarbeiter befasste er sich
weiter mit
volkstümlichen Traditionen
des alten China, Stoffe, die sich auch in seinen Erzählungen immer
wieder
niederschlagen und in teils
drastischer Sprache verfasst sind: Sexualität, Heiratstraditionen
und
Generationenkonflikte auf
dem Lande.
1987 entschied sich Gao,
seine Heimat zu verlassen und sich als politischer Flüchtling in Paris
niederzulassen. Nach
dem Massaker auf dem Platz
des Himmlischen Friedens trat er 1989 aus der Kommunistischen Partei aus.
In dem
düsteren Symboldrama
«Die Flucht» (deutsch 1992) verarbeitete er das blutige Ende
der chinesischen
Demokratiebewegung und wurde
vom kommunistischen Regime zur «unerwünschten Person»
erklärt. Seine
Schriften wurden endgültig
verboten. Gao, der auch seine Buchumschläge selbst illustriert, machte
sich mit mehr als
30 internationalen Ausstellungen
auch als Maler einen Namen und wurde 1992 in Frankreich als «Chevalier
de
l'Ordre des Arts et des
Lettres» geehrt.
«Möchten die Menschen
ihre Menschenwürde und geistige Unabhängigkeit angesichts von
Gewaltpolitik
bewahren», sagte er
einmal in einer Rede, «dann ist die Flucht der einzige Ausweg».
Sein Werk sei «von universaler
Gültigkeit»,
würdigte ihn die Akademie. Er habe der chinesischen Romankunst und
Dramatik «neue Wege
eröffnet».
Diese dpa-Nachricht wurde
am 12.10.2000 um 12.30 (also eine halbe Stunde vor offizieller Bekanntgabe
des Literatur-Nobelpreisgewinners) von unserem Verlagsleiter und Herrn
Carsten Wieland von der dpa verfasst und um 13 Uhr an alle Zeitungen in
Deutschland verschickt.